Der Geruch einer reifen Orange, das warme Licht und die durch Olivenbäume sich formenden Schatten auf den mediterranen Gebäuden, der weite Horizont in der Ferne über dem tiefblauen Meer, das Gefühl salzigen Wassers und wärmender Sonnenstrahlen auf der Haut, das Spüren des beinah zu heißen Sandes des Strandes unter den nackten Füßen, das schillernde Sonnenlicht – vom bewegten Wasser reflektiert…

Diese zarten Erinnerungen und Sehnsuchtsmomente evoziert die vierte Werkreihe aus der Serie „Tandem“ in Farbe und Form. Sie ist auf der Mittelmeerinsel Mallorca entstanden, deren Natur(phänomene) und Umwelt unmittelbar Einfluss auf die Kompositionen, Bewegungen und Farbgebung der Werke nahmen. Das Duoprojekt „Tandem“ der beiden Künstler*innen Irina Ojovan und Catalin Pislaru erweitert sich seit 2016 alle zwei Jahre um eine weitere Werkreihe. Diesmal erarbeiteten sie im Dezember 2022 während ihres gemeinsamen Aufenthaltes auf Mallorca im Rahmen des Artist-in-Residence-Programm des CCA Andratx zehn Aquarelle auf Papier, die nun erstmalig in den Räumen des Le Bureaus in Düsseldorf ausgestellt werden.

Beide Künstler*innen bewegen sich in der eigenen Praxis in den Medien der Malerei und Skulptur. Während Irina Ojovan in diesen reale Orte, persönliche Erfahrungen und erlebte Emotionen ihrer eigenen Erinnerung aufruft und dabei architektonische Formen sowie Fragmente in Komposition und Tiefe erforscht, setzt sich Catalin Pislaru intensiv mit konkreten Objekten auseinander, die ihn umgeben. Möbel, Designobjekte oder Haushaltsgeräte werden von Pislaru in ihren Umrissen auf Alu Dibond oder HPL Platten übertragen, in klaren Linien und Flächen weitergedacht und verfremdet. Daneben recycelt er Gegenstände, wie Tischtennisplatten, und nutzt diese als direkten Malgrund.

Ojovan und Pislaru ist gemein, dass sich Ihre Werke als Erinnerungsspeicher entpuppen. Erstere baut persönliche Erinnerungsräume, die sich beim Betrachten mit eigenen abgespeicherten Erlebnissen und Gesehenem überlagert. Ihre reduzierten Bildkompositionen öffnen Assoziationsfelder, die ihren intendierten Ursprung zwar immer noch mittragen, aber vor allem die Selbsttätigkeit des Sehens provozieren. Pislaru nimmt sich Gegenständen an, die Standard alltäglicher Nutzung und damit mit Erinnerungen aufgeladen sind, die viele Menschen teilen. Es sind also Objekte, die das kollektive Gedächtnis bewahren oder gar symbolisieren.

Das gemeinsame Projekt „Tandem“ zeugt von einer tiefen Verbundenheit und Vertrautheit zwischen den beiden Künstler*innen. Sie haben die aktuelle Werkreihe in einem spielerischen Ping-Pong-Verfahren entwickelt. Ein simultanes und dialogisches Arbeiten, in welchem sich ihre verschiedenen Ausdrucksweisen synergetisch miteinander verweben und eine Verständigung über das Erwartete und Erlebte auf der Balearischen Insel materialisieren. Entstanden ist eine eigene Formlogik aus Kreisen, Linien, Strukturen, Verläufen, Aussparungen und Wiederholungen, die sich zu ausgesprochen vielseitigen Anordnungen und Bildlösungen entfaltet. Dabei wird Mallorca als Fläche kollektiver Projektionen genauso spürbar, wie die stille Schönheit einer mediterranen Insel in den Wintermonaten.

Miriam Jesske